Im Gespräch mit Marc-Stephan Garbe
Innerhalb unseres Kollegiums finden sich viele unterschiedliche Persönlichkeiten und Charaktere, die in ihrem Zusammenspiel die IMTB-Family formen und maßgeblich prägen. Dabei haben wir – für Unternehmensberatungen durchaus üblich – einen vergleichsweise geringen Altersdurchschnitt. Eine besondere Rolle nimmt daher unser Kollege Marc-Stephan Garbe ein, der mit über 20 Jahren Erfahrung in der Beratung öffentlicher Kunden zu unseren dienstältesten Beratern gehört. Wir wollten von Marc wissen, wie er denn zu Beratung gekommen ist und was ihn bis zum heutigen Tage motiviert, die öffentliche Verwaltung und ihre digitale Transformation zu unterstützen.
Hallo Marc, du wurdest den Leserinnen und Lesern als einer unserer dienstältesten Berater vorgestellt. Seit wann bist eigentlich du in der Beratung des öffentlichen Sektors unterwegs und wie kam es dazu?
Zwei Kollegen und ich sind Ende 2000 in die Selbstständigkeit gestartet. Unser damaliger Arbeitgeber, das debis Systemhaus, wurde gerade von der Deutschen Telekom übernommen, die die Akquisition in den Aufbau der T-Systems einbrachte.
Unser Beratungsportfolio umfasste die Beratung für den Vertrieb von Investitionsgütern und das Vertriebscontrolling. Als unsere GmbH gegründet war, haben wir bestehende Kontakte angesprochen und wie es der Zufall wollte, hat der damalige LIT (heute ITDZ Berlin) Beratungsunterstützung im Vertrieb gesucht. Andere Kunden kamen aus der New Economy.
Was macht aus deiner Sicht die Arbeit mit dem öffentlichen Sektor besonders spannend? Ist es nicht viel interessanter einen international aufgestellten DAX-Konzern beraten zu dürfen?
Die Qualität vieler großer Konzerne besteht häufig in einer hohen Fokussierung / Spezialisierung auf einzelne Produkte oder Leistungen. Durch die Konzentrierung auf eine herausragende Eigenschaft, beispielsweise optimale Lieferketten, kann ein entscheidender Marktvorteil erreicht werden. Ein weiteres besonderes Merkmal sind (häufig) kurze, klare Entscheidungswege.
Der öffentliche Sektor ist im Vergleich thematisch unglaublich breit aufgestellt und hat zum Teil komplexe Entscheidungsfindungsprozesse. Die thematische Breite, der nicht immer sofort erkennbare Weg der Entscheidungsfindung und schrittweise Umsetzung von getroffenen Entscheidungen machen die Beratung sehr interessant und stellen immer eine neue Herausforderung dar.
Gab es in all den Jahren Projekte oder Themen, die dir besonders am Herzen lagen?
Jedes Projekt und die daran beteiligten Menschen sind wichtig und liegen mir am Herzen. Das Herausheben einzelner Projekte ist daher nicht möglich.
Zurückblickend gibt es einige Situationen, in denen die Entscheidungsträger mutiger hätten sein sollen (oder dieser Mut hätte durch mich stärker eingefordert werden sollen). Das sagt sich als Berater natürlich einfach, da die Verantwortung andere tragen.
Trotzdem ist mir das Thema „Mut“ wichtig. Ein Projekt kann nur erfolgreich sein, wenn mit der Umsetzung begonnen wird. Planung und Konzeption sind wichtig, irgendwann ist aber der Zeitpunkt gekommen, an dem umgesetzt werden muss. Das Leben zeigt, es wird immer Variationen geben, die konzeptionell nicht vorhersehbar waren. Deshalb: das Theoriegebäude verlassen und den Start nicht verpassen.
Inwiefern kann externe Beratung einen Beitrag zur Modernisierung des öffentlichen Sektors leisten und wie hat sich die Rolle der Externen in den vergangenen 20 Jahren verändert?
Das Ziel der externen Beratung kann und darf es nicht sein, die Verwaltungstätigkeit in Ersatzvornahme durchzuführen. Die Verwaltung muss ihr Kerngeschäft in eigener Verantwortung durchführen. Beratung unterstützt themenbezogen (z.B. durch Digitalisierungsvorschläge).
Vor 20 Jahren steckte die Verwaltung in der Vernetzung der IT-Arbeitsplätze. Der Begriff des „Stand alone PC“ ist verschwunden. In der Regel durfte jede Person lokal alles installieren, was auch durchgängig genutzt wurde. In jedem Referat gab es Personen, die eigene Datenbanken „bastelten“ und so Abläufe mit IT unterstützen. Hierfür wurden beliebige Daten gespeichert. Beratungsgegenstand war, gemeinsam mit den Beschäftigten „Insellösungen“ zu erstellen; der strategische Aspekt zur Verwaltungsdigitalisierung war kaum ausgeprägt. Ein Projekt in den frühen Nullerjahren war beispielsweise die Zählung der in Berlin vorhandenen PCs und der darauf laufenden Betriebssysteme und IT-Verfahren.
Heute ist das Ziel, umfassende (behördenweite oder landesweite) Lösungen zu finden. Da diese auf viele individuell geschaffene Ansätze treffen, gibt es zwischen dem zentralen Anspruch und der dezentralen Realität einen erheblichen Zielkonflikt. Daher liegt nun der Schwerpunkt von Beratungstätigkeit auf der Gestaltung des Übergangs hin zu einer durchgängig digital agierenden Verwaltung.
Welche Themen werden deiner Meinung nach den Beratungsalltag im öffentlichen Sektor künftig bestimmen?
Bürger*innen erwarten, dass die Dienstleistungen der Verwaltung 24/7 erreichbar sind und Leistungen sehr zeitnah verfügbar sind (Bescheide, Ummeldung, etc.). Beispielsweise kann die Steuererklärung jederzeit eingereicht werden, über Informationsportale sind Registerauszüge rund um die Uhr abrufbar. Die Bearbeitungskette innerhalb der Verwaltung muss somit transparenter werden und eine Automatisierung einsetzen (vergleichbar dem Tracking von Lieferketten). Hierfür sind die gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen, die Menschen (Beschäftigten) einzustimmen und die IT-Verfahren umzubauen.
Eine weitere Hoffnung ist, dass auch der Gesetzgeber sich mehr digitales Knowhow aneignet. Ein Gesetz zu erlassen, dass u.U. auch noch rückwirkend in Kraft tritt und zugleich IT-Anpassungen von Personenjahren erfordert, – kann politisch opportun sein – überfordert aber alle an der Einführung beteiligten Personen. Verwaltung muss leistungsfähig sein, die Rahmenbedingungen dafür müssen ihr aber auch gegeben werden.
Und zum Schluss noch eine Frage zum Thema Karriere: Gibt es aus deiner Sicht bestimmte Fähigkeiten und Eigenschaften, die junge Menschen mitbringen sollten, wenn sie sich für einen Berufseinstieg in der Beratung des öffentlichen Sektors entscheiden?
Vier Eigenschaften sind mir wichtig: Neugierde auf vielfältige Themen, Interesse an Menschen und Langmut. Einen schnellen Erfolg gibt es nur selten, daher ist der Weg zum Ziel zwar wichtig, aber der Weg ist nicht das Ziel.
Als letzte Eigenschaft sollte sich die einsteigende Person klar sein, dass es in Beratungsprojekten eher flache Hierarchien gibt. Die Bezeichnung der Tätigkeit auf der (virtuellen) Visitenkarte wird eher schlicht (und in deutscher Sprache) sein.
Lieber Marc, vielen Dank für deine ausführlichen wie differenzierten Antworten. Auf die nächsten 20 Jahre!